Die Pinyin Umschrift des Chinesischen
Anfang des Monats gab es ein Video über Pinyin, eine Umschrift des Chinesischen. Heute gibt es einen Text. Und da ist Schluss mit lustig. Denn Pinyin ist gar nicht so einfach, wie es sich liest. Aber genau darum ging es den Machern. Aber lest selbst.
Pinyin und andere Romanisierungen der chinesischen Schrift
Pinyin entstand in der 1950er Jahren in China und ist einer der zahlreichen Transkriptionssystem zur Umschrift der chinesischen Schrift. Die ersten Versuche, Chinesisch in lateinische Buchstaben zu pressen, begannen im 17. Jahrhundert durch jesuitische Missionare in Beijing. Auch wenn ihre Arbeiten zunächst kaum Beachtung fanden, entstanden daraus in den folgenden Jahrhunderten doch zahlreiche Systeme zur Transkription, jedes notgedrungen mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten und Schwerpunkten. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts setze sich im Westen eine Umschrift um, das Wade-Giles-System.
Entstehung der Pinyin Umschrift

Seite aus dem Zhongguo Guanhua (chin. “中國官話”, lat. “Medii Regni Communis Loquela”) von Étienne Fourmont aus dem Jahr 1774.
Quelle: Wikicommons.
Die Wade-Giles Umschrift war eine Erfindung des Westens und wurde hauptsächlich auch von Weißen genutzt. Aber auch die Chinesen bemühten sich mehr und mehr um eine Umschrift. Sie sollte vor allem dazu dienen, die Alphabetisierung der Bevölkerung voranzutreiben. Mehrere Versuche gipfelten schließlich in den 1950er Jahren in der Entwicklung von Pinyin unter staatlicher Förderung. Am Entstehen von Pinyin war maßgeblich Zhou Yougang beteiligt.
In den 1980ern begann auch der Westen, die Pinyin Umschrift mehr und mehr zu benutzen. 1982 verlieh gar die ISO eine Norm an das Pinyin Transkriptionssystem (ISO 7098:1982/1991, “Romanization of Chinese”). Heute gilt Pinyin als wissenschaftlicher Standard und auch im Alltag wird mehr und mehr auf Pinyin zurückgegriffen. Prominentestes Beispiel dürfte die “neue” Schreibung “Beijing” statt “Peking” sein. Aber auch “Taiji Quan” wird langsam gegenüber “Tai Chi Chuan” oder “Tai Chi Chüan” bevorzugt.
Grundlagen der Pinyin Umschrift
Das besondere an Pinyin ist, dass es vollständig auf lateinische Buchstaben setzt. Lediglich einige diakritische Zeichen werden hinzugefügt. Das heißt es werden ausschließlich die Buchstaben A bis Z (mit einer Ausnahme: ü) und auch keine Sonderzeichen, wie das Apostroph im Wade-Giles-System, genutzt. Das macht die Schreibung von Pinyin, zum Beispiel auf einer herkömmlichen, westlichen Tastatur relativ einfach. Andererseits bedingt diese Vereinfachung mehr Regeln, was die Aussprache des geschriebenen Pinyin betrifft. Denn diakritische Zeichen allein reichen nicht aus, die komplexen Lautzusammenhänge des Chinesischen wiederzugeben.
Jede einzelne mögliche Aussprache von Buchstabenkombinationen hier anzugeben, würde bei weitem den Rahmen einer Einführung sprengen. Dafür gibt es aber weiter unten interessante Links, unter anderem mit Audiobeispielen zur Aussprache von einzelnen Pinyin Silben.
Grundsätzlich gilt, dass Pinyin nicht Buchstabe für Buchstabe gelesen werden kann. Im Prinzip ist Pinyin eine Silbenschrift. Jede Silbe wiederum besteht aus An- und Auslauten. Je nach Kontext veränden die An- und Auslaute jedoch ihren Klang. Hinzu kommen die diakritischen Zeichen Makron (¯), Akut (´), Hatschek (ˇ) und Gravis (`) . Sie bezeichnen die vier Töne im modernen Hoch-Chinesisch: stagnierend, ansteigend, alternierend und abfallend. Hin und wieder findet sich als Ersatz für die diakritischen Zeichen über den Vokalen auch Zahlen nach der Silbe, die angeben ob die Silbe im 1., 2., 3. oder 4. Ton gesprochen wird.
Pinyin ist auch nur ein Kompromiss
Eine Umschrift ist letztlich immer einen Kompromiss zwischen Lesbarkeit und Genauigkeit. Pinyin entscheidet sich ganz klar für die Lesbarkeit. Denn es verwendet bis auf das Ü und die vier diakritische Zeichen ausschließlich “normale” lateinische Buchstaben. Allerdings vernachlässigt es in der Umschrift einige Merkmale der chinesischen Sprache, wie zum Beispiel die Tonsandhis. Tonsandhis sind Regeln für tonale Sprachen, die eine Veränderung des Tons beschreiben. Sie finden in Pinyin gar keine Beachtung. Zum Beispiel ist die übliche Begrüßung im Chinesischen 你好 (wörtl. “du gut”) in Pinyin geschrieben “nǐhǎo”. Gesprochen wir aber “níhǎo”!
Das macht Pinyin nicht gerade zu der einfachen Umschrift, wie sie auf den ersten Blick scheint. Um Pinyin richtig lesen zu können, muss man sich schon mit den Eigenheiten der chinesischen Sprache auseinandersetzen. Die Alternative dazu, eine an die Aussprache angelehnte Umschrift, ist zum Beispiel das internationalen phonetischen Alphabet (IPA). Da schreibt es sich nicht mehr “Taiji Quan”, sondern “tʰaid̥ʑ̥itɕʰyɛn”. Dann könnte man dann auch gleich wieder 太极拳 nehmen. ;)
Übrigens: Ein Schicksal teilt Pinyin mit der Wade-Giles-Umschrift: die ständige Auslassung der diakritischen Zeichen. Bei Wade-Giles werden immer die Apostrophe weggelassen (Tai Chi Chüan statt T’ai Chi Ch’üan), beim Pinyin offenbar die Diakritika (Taiji Quan statt Tàijí Quán). Vom Ü mal ganz zu schweigen…
Weiterführende Links
- Wikipedia: Pinyin (de)
- Wikipedia: Pinyin (en)
- “Learining Pinyin” auf “Chinese and Beyond“
- A Guide to the Writing of Mandarin Chinese in Romanization
- Liste von Transkriptionssystemen für die chinesischen Sprachen (Wikipedia)
- Pinyin Silben mit Audio Beispielen
- Wade-Giles to Pinyin Conversion Table
Hallo Bihushan,
eben habe ich gerade deine Seite bei Facebook entdeckt: https://www.facebook.com/pages/Bihushans-Taiji-Quan-Blog/385203451563978. :-) Dort scheinst du, der Zahl von “Gernhabern” nach zu urteilen, noch nicht lange aktiv zu sein?! :-)
Zur Auslassung der “diakritischen Zeichen” in Wade-Giles und Pinyin Umschrift wollte ich noch was anmerken. Schade ist es, wenn dies in wissenschaftlichen Texten der Fall ist oder in Büchern, wo es der Lesbarkeit chinesischer Schriftzeichen durch Nutzung der Umschrift dienen soll. In diesem Fall ist es eine “wackelige Stütze”. Kein Chinese würde das verstehen, was wir aus diesen “Umschriften” heraus lesen.
In der deutschen Sprache haben die diakritischen Zeichen meiner Meinung nach jedoch nichts zu suchen. Peking ist deutscher Name der chinesischen Hauptstadt, welche auf Chinesisch 北京 heißt, was in Pinyin Umschrift Běijīng geschrieben wird (siehe http://www.mdbg.net/chindict/chindict.php?wdqr=%E5%8C%97%E4%BA%AC%5BBei3%20jing1%5D&wdrst=1). Tai Chi ist das Wort, was umgangssprachlich für eine sanfte Bewegungsweise aus Fernost steht und was im Allgemeinen auch nicht mit der Kampfkunst 太極拳 (Pinyin: tàijíquán, dt. Taiji-Faust) in Verbindung gebracht wird, welche von einigen wenigen Spezialisten trainiert und gelebt wird.
Die Pinyin Umschrift ist hilfreich, wenn man lernen will, die chinesische Sprache zu lernen. Sie sollte jedoch keinen Platz in der Schreibung von eingedeutschten Wörtern aus dem Chinesischen haben, da Deutsch und Chinesisch sehr verschieden sind. ;-)
Du hast einen sehr interessanten Blog. Ich wünsche dir viel Freude beim weiteren Forschen und Schreiben. :-)
Jörg
Hallo Jörg,
vielen Dank für diesen interessanten Kommentar! Deine Erklärung, warum die diakritischen Zeichen des Pinyin im Alltag weggelassen werden (können) finde ich sehr praktisch. So habe ich noch nie darüber nachgedacht und mich immer gefragt, warum ich denn nicht endlich selbst anfange, wenigstens hier im Blog die Zeichen richtig zu setzen. Dank Deines Kommentars lasse ich das jetzt ganz beruhigt sein, es leuchtet mir ein. ;)
Den Teil kann ich allerdings so nicht stehen lassen, hier müssen wir uns streiten. ;) Denn Taiji Quan ist für mich zu aller erst eine Kampfkunst. Sicherlich kann, darf und soll man sie auch als “sanfte Bewegungsweise” mit all ihren gesundheitlichen Aspekten verstehen. Ich halte es aber für ein großes Missverständnis und Fehler, wenn die Idee der Kampfkunst aus dem Taiji Quan gestrichen wird. Das ist ein großes Thema, zu dem ich bei Zeiten noch einen eigenen Artikel schreiben möchte. Bis dahin können wir hier aber gerne noch den ein oder anderen Gedanken dazu austauschen!
Und: Ja, auf Facebook bin ich noch nicht lange und auch nicht so gerne. Aber gehört ja irgendwie dazu. ;) Danke dort für das “liken” und vor allem Danke hier für die netten und lobenden Worte!
Dass Taijiquan für dich eine Kampfkunst ist (für mich ist es das auch, trotzdem ich noch nicht weit in die Kampfkunst eingedrungen bin), stelle ich gar nicht in Frage. Meine Aussage bezog sich auf den “volkstümlichen” Tai-Chi-Begriff, welcher eben gerade keine Kampfkunst meint.
Viele Leute, die “Tai Chi” hören, fangen an, mit den Händen durch die Luft zu fahren und meinen, dass dies eben Tai Chi sei. Für sie ist Tai Chi lächerlich.
Andere Leute sehen im Tai Chi ein hilfreiches Mittel, um (durch die sanften Bewegungen, welche die Organe und Meridiane massieren und dehnen) innerlich zur Ruhe zu kommen und ihre Gesundheit zu fördern und ein hohes Lebensalter zu erreichen. Mit der Verbindung von Kampfkunst und Tai Chi können sie nichts anfangen. Sie machen das Tai Chi in gewisser Weise lächerlich. Die Krankenkassen fördern Tai-Chi-Kurse, weil sie darin keine(!) Kampfkunst sehen und auch keine Kampfkunst darin umgesetzt wissen wollen. Im Rahmen der Prävention hat diese keinen Platz.
Weil Tai-Chi im Volksmund einen so schwammigen Begriff darstellt, halte ich die Unterscheidung zwischen Taijiquan und Tai Chi für hilfreich. Wie ich kürzlich erfahren habe, gibt es diese Unterscheidung auch im Ursprungsland des Taijiquan. Dort unterscheidet man heute 太极操 = Taiji-Gymnastik und 太极拳 = Taiji-Kampfkunst (siehe http://taiji-faust.de/wordpress/?page_id=1665).
Interessanter Vorschlag, Kampfkunst und “Wellnes-Taichi” begrifflich zu unterscheiden. Dass das in China schon getan wird, war mir neu. Wieder was gelernt. Danke!
Gern gescheh’n. Nun müssen wir auch nicht mehr darüber streiten. :-D